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Als wahren Glücksfall muß man das Grab mit der Nummer 49 in der Basilika zu Saint Denis bezeichnen, denn der Sarkophag enthielt die fast vollständig erhaltenen Überreste einer Grablegung aus dem Jahr 580.
Die Leiche selbst war zwar größtenteils zerfallen, nicht jedoch die Textilien, die die Leiche am Leibe trug und das Grab war auch nicht wie so viele andere beraubt, so daß die Beigaben vollständig vorhanden waren.
Leider ist es extrem schwierig, genügende Literatur zu diesem eindrucksvollen Grab zu finden. die meiste veröffentlichte Literatur ist sehr alt, teilweise aus den 60ger Jahren des vorherigen Jahrhunderts.
Was weiss man also über dieses Grab?
Zunächst war nicht klar, welches Grab man da gefunden hatte, als man 1950 in der Basilika von Saint Denis das Grab mit der Nummer 49 geöffnet hatte.
Die reiche, zum Teil gut erhaltene Ausstattung, sowie der Ort der Grablegung bewiesen, dass man es hier nicht mit einer gewöhnlichen Frau zu tun hatte. Daß es jedoch das Grab einer Königin war, vermutete zunächst niemand. Erst der Fund eines goldenen Ringes und die nachfolgende Entzifferung der Inschrift brachte zu Tage, daß die hier begrabene etwa 45 jährige Frau eine merowingische Königin war - Arnegundis Reginae.
Vermessungen zeigten, dass die Tote etwa 1.55m gross war und ca. 45 jährig beigesetzt wurde. Bedeckt war der Körper mit einem Tuch aus Hanf - wohl das Leichentuch, welches über die hergerichtete Leiche gedeckt war. Der Köper selbst war in ein rotes Wolltuch gewickelt. Bekleidet war sie mit einer Tunika aus violettblauer Seide, die vermutlich kurze Ärmel hatte, einem Unterkleid aus Wolle (dieses ist aber nur noch in Resten im Brust- und Beckenbereich feststellbar gewesen) und wollenen Strümpfen. Gerefft wurde die Übertunika mit einem breiten Gürtel, den ein massiver Verschluss zierte. Auch die wollenen Strümpfe wurden durch Lederbänder gehalten, die metallene Beschläge trugen. Über der Tunika trug die Tote einen Mantel aus braunroter Seide, der mit blauem Leinenstoff gefüttert war und an den Ärmeln prachtvolle Stickereien in Goldlahn trug. Geschlossen wurde er durch 2 Scheibenfibeln aus Gold mit Almandinintarsien am Hals und auf der Brust. Das rote seidene Schleiertuch war am Kopf vermutlich über eine Haube oder ein Haarnetz geschlagen. Von dieser Kopfbedeckung ist jedoch nichts als die 2 Nadeln gefunden worden, die sie gehalten haben. Im Brustbereich fand sich eine massive und lange Nadel.
Die Schuhe der Toten bestanden aus Leder und wurden ebenfalls mit Bändern geschlossen, die eine prachtvolle Garnitur zierte. Zu ihren Füßen lag eine Flasche aus grünlichem Glas.
Mantel
Nebenstehendes Bild zeigt den Beginn einer Rekonstruktion des etwa knöchellangen Mantels, mit dem die Tote aus Grab 49 bekleidet war. Er ist mit blauem Leinen gefüttert. Es fehlen jetzt noch lediglich die etwa 5cm breiten mit Gold- und Silberlahn bestickten Manschetten an den Ärmeln.
Diese Stickereien sind sehr aufwendig, da der Lahn nicht wie beim normalen Sticken durch den Stoff gezogen wird um so die Muster zu bilden, sondern er wird entsprechend den recht gut erhaltenen Mustern des Fundes auf den Stoff aufgelegt und vernäht. Alleine aus dem Arbeitsaufwand kann man schon ermessen, daß sich solche Kleidungsstücke lediglich ganz wenige Menschen leisten konnten. Derzeit schätze ich, daß alleine für die zwei Manschetten wohl mehr als300 Mannstunden an Arbeit zu veranschlagen sind.
Tunika
Die vorliegende Tunika im Bild ist entgegen zum Fund aus ganz fein gewebtem Seiden-Woll Mischgewebe in einer ähnlichen Farbe wie der Fund.
Die gefundene und analysierte Seide aus dem Grab war aus zwei unterschiedlich gefärbten Seidenstoffen gewebt (Schuß und Kette haben unterschiedliche Farbe), was dem Stoff eine blauviolett changierende Farbe verleiht.
Diese besondere Seide war bis Dato in entsprechenden Mengen nicht zu bekommen.
Analog zu Tunikakleidern der Franken ist auch dieses Kleid an Hals und Ärmeln mit einer reich bestickten Bordüre aus handgefärbten Material versehen.
Unterkleid
Das zugehörige Unterkleid ist aus silbrigem Leinen - das Wollunterkleid entsprechend der Fundlage ist in Arbeit. Auch das Unterkleid weist Stickereien auf. Aus den Fundresten läßt sich das so zwar nicht ableiten, da das Unterkleid nur noch in ganz wenigen Resten vorhanden war, aus denen sich lediglich die Stoffart noch herausfinden ließ, jedoch nicht mehr Farbe und Aussehen. So sind wir bei der Rekonstruktion auf Ableitungen der Kleidung anderer Fränkinnen angewiesen. Es erscheint aus heutiger Sicht (und wie das auch heute immer noch geschieht) als wahrscheinlich, daß diese Frauen sich nach der Mode gekleidet haben dürften, die die Oberschicht und insbesondere eine Frau in königlicher Stellung vorgegeben hat.
Der silbrige Glanz des Kleides im nebenstehenden Bild entsteht durch eine besondere Behandlung der Leinenfaser bei der Gewinnung.
Kopfbedeckung
Auf dem Kopf trug die Tote aus Grab 49 ein Textil, welches eine Haube oder ein Haarnetz gewesen sein könnte. Es sind leider nicht einmal Restspuren davon an den Nadeln zu finden gewesen, die diesen Kopfputz gehalten haben dürften.
So sind wir bei der Rekonstruktion wieder einmal auf Vermutungen und Ableitungen angewiesen. Wir haben ein Haarnetz gewählt, da dieses bei dem Kopfputz anderer Fränkinnen Verwendung fand.
Schleier
Aus der Fundlage geht hervor, daß der Kopf von einem Schleiertuch aus roter Seide bedeckt war. Nebenstehendes Bild zeigt einen solchen Schleier in Weiß vor dem Färben. Derzeit versuchen wir herauszufinden, mit welchem Stoff der Schleier der Toten gefärbt war -- es kommen sowohl Krapp, Purpur oder Kermes in Frage -- damit wir das Schleiertuch entsprechend einfärben können.
Leider stehen heute sowohl die Purpurschnecke als auch die Kermeslaus unter absolutem Artenschutz so daß wir diese zum Einfärben des Schleiers nicht verwenden dürfen. Die Cochenillelaus ist eine Artverwandte der Kermes und ergibt ein sehr ähnliches Rot, so daß wir hier einen Ausweich haben, sollte es sich herausstellen, daß das Schleiertuch mit Kermes gefärbt war. Für Purpur haben wie leider keine Entsprechung bei den Naturfarben.
Nadeln/Schmuck
Untenstehendes Bild zeigt die Nadeln, mit denen der Kopfputz gehalten wurde. Sie wurden nicht genau nach Fundlage gefertigt, da wir im Experiment festgestellt haben, daß die massiven Köpfe enorm schwer sind und durch die nur 5.8cm langen Nadeln niemals im Haar oder einem um das Haar gewundenen Band Halt gefunden hätten. Um das enorme Gewicht der Kugelköpfe wenigstens halbwegs auszugleichen, mußten wir Nadeln von etwa 10cm Länge und entsprechender Dicke verwenden.
Ob sie jemals im Alltag Gebrauch gefunden haben dürften ist nach dem Experiment schwierig zu beurteilen.
Ich muß, wenn ich die Nadeln trage, den Kopf sehr gerade halten und darf ihn nicht übermäßig neigen, da sonst die Nadeln gezogen von dem Gewicht der Köpfe einfach herausrutschen würden.
Es erscheint mir daher wahrscheinlich, daß die Nadeln, wenn sie getragen wurden, lediglich zu zeremoniellen Anlässen Verwendung fanden, bei denen sich die Trägerin nicht allzu viel bewegen mußte.
Gürtel
Der Gürtel mit seiner massiven Schnalle dürfte wohl das prunkvollste Fundstück der gesamten Grablegung gewesen sein. Alleine die Schnalle besaß eine stattliche Länge von 16,3cm und war aus 3Teilen gefertigt.
Die Stege waren dabei das eine Teil auf das die hintere Platte aufgenietet wurde. Das 3. Teil war die eigentliche Schnalle mit entenförmiger Schnallenzunge. An Material kamen Gold, Silber und Bronze zum Einsatz, sowie Almandin und Emaille/Glas, sowie Silbertauschierungstechnik.
Die Rekonstruktion der Schnalle ist aus feuervergoldeter Bronze und 16,5cm lang. Almandin wurde schon in den breiten Steg im vorderen Teil eingesetzt, Emaille und Glas in den kleinen lochförmigen Vertiefungen fehlen noch.
Aufgenietet sind Schnalle und der 12 cm lange Gegenbeschlag auf vegetabil gegerbtem Leder.
Vom Gürtel selbst haben sich nur Restfragmente erhalten, die eine genaue Rekonstruktion erschweren. Aufgebracht waren wohl goldgefärbte schmale Lederteile, die zusammengesetzt Dreiecke bildeten.
Fibeln
Der etwa knöchellange Mantel der Toten wurde am Hals und der Brust von zwei etwa 4.2 cm durchmessenden goldenen Fibeln zusammengehalten, die mit Almandin eingelegt waren.
Das Bild zeigt eine Rekonstruktion dieser Fibeln, bei der lediglich die Almandineinlagen durch eine Kaltemaille-Almandinpulvermischung ersetzt wurden. Eine genaue Replik würde leider jeglichen finanziellen Rahmen um ein Vielfaches sprengen da alleine pro Fibel 64 kleine Almandine entsprechend zugeschliffen und eingesetzt werden müssen. Auch darf keiner der Almandine in sogenannter Sprengtechnik gefördert werden (leider ist das heutzutage die Regel - von 10 Almandinen werden 9 in Sprengtechnik gefördert!), da so feine Risse entstehen und der Almandin dann beim Schliff zerbrechen würde.
Schuhe
An den Füßen trug die Tote lederne Schuhe, die mit einer massiven und sehr großen Schuhgarnitur ausgestattet waren. Wohl auch ein Zeichen für den königlichen Stand der Toten, denn so große Schuhgarnituren sind in der Regel sehr unüblich.
Schmuck
Als Königin trug die Tote bei ihrer Bestattung eine reichhaltige Auswahl an Schmuckgegenständen.
Wadengarnitur
Das kurz unter dem Knie endende Tunika Kleid macht es notwendig, den unteren Teil des Beines gesondert einzukleiden.
Dies geschieht mit Hilfe sogenannter Wadenstrümpfe, die vom Knöchel bis über das Knie reichen. Ob diese Strümpfe angebrachte Füße haben (also auch den Fuß des Trägers bedecken), ist nicht feststellbar.
Da so ein Wadenstrumpf der Schwerkraft unterliegt, rutscht er mit der Zeit oder durch die Bewegung beim Gehen herunter und so ist es notwendig, diesen zu befestigen, damit genau dieses nicht passiert.
Dies geschieht mit Hilfe einer sogenannten Wadengarnitur - Lederbändern mit im Falle der Arnegunde kunstvollen Riemenzungen, die unter dem Kleid hervorschauen und en schmückendes Beiwerk darstellen.